Viren und Wir (03): Malaria – Von Mücken und Menschen

Die Malaria ist die häufigste Infektionskrankheit weltweit, ca. 230 Millionen Menschen erkranken jährlich daran. Das sind so viele Menschen, wie zusammengenommen in Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland leben. Und doch ist die Malaria bei uns kaum ein Thema. Wahrscheinlich, weil die Krankheit in Europa nicht vorkommt – oder genauer gesagt, nicht mehr vorkommt. Denn erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts konnte diese Erkrankung in Europa endgültig ausgerottet werden. Davor war sie vor allem in Südeuropa, aber auch in manchen Regionen Deutschlands zu finden. Und heute leben nach wie vor 40 % aller Menschen weltweit in Malaria-Risikogebieten. Es gibt verschiedene Malaria-Formen. Die mit Abstand häufigste und auch gefährlichste Form ist die Malaria tropica. Unbehandelt sterben 20 von 100 Patienten an den Folgen der Infektion.

Die Suche nach dem Erreger
Typische Symptome einer Malaria-Erkrankung sind Fieber, zum Teil in regelmäßigen Schüben, und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Ohne eine rechtzeitige Therapie drohen Organschäden, die zum Tod führen können. Die Malaria begleitet den Menschen bereits seit Jahrtausenden. Und über die Jahrtausende galt schlechte, faulige Luft, auch Miasma genannt, als Auslöser der Krankheit. Wobei diese Miasma-Theorie nicht nur für die Malaria galt. Die Ausbreitung verschiedenster Krankheiten wurde damit erklärt. Gerade für die Malaria schien diese Erklärung sehr überzeugend zu sein. Malaria kommt besonders in Sumpfgebieten vor, und dort ist kein Mangel an schlechter, fauliger Luft. So lässt sich übrigens die Bezeichnung Malaria erklären. Sie kommt aus dem Italienischen von Mal Aria, und das bedeutet nichts anderes als „Schlechte Luft“.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Miasma-Theorie mehr und mehr durch die Keimtheorie abgelöst. Die Keimtheorie erklärte die Ausbreitung von bestimmten Krankheiten durch Übertragung von mikroskopisch kleinen Krankheitserregern, den Bakterien. Die Mikrobiologen Robert Koch und Louis Pasteur lieferten sich bei der Entdeckung neuer krankmachender Bakterien einen fieberhaften Wettstreit. Für viele Krankheiten konnte die Keimtheorie gegen Ende des 19. Jahrhunderts bestätigt werden: z.B. für die Cholera, die Diphterie und den Milzbrand. Vielleicht konnte man jetzt den tatsächlichen Verursacher der Malaria identifizieren?

Viele Wissenschaftler gingen davon aus, dass es sich hier auch um Bakterien handeln müsste. Die Suche begann, und der Wissenschaftler Charles Laveran wurde im Jahr 1880 fündig. Er entdeckte kleine Organismen in den roten Blutkörperchen von Malaria-Patienten. Er weitete seine Untersuchungen aus und konnte zeigen, dass diese Organismen nur bei an Malaria erkrankten Menschen vorkamen, nicht bei gesunden. Hatten man es hier mit einem weiteren Beispiel für einen bakteriellen Krankheitserreger zu tun? Eben nicht. Denn die von Laveran entdeckten Organismen waren viel zu groß für Bakterien. Man konnte bestimmte zelluläre Strukturen erkennen, die man unter einem Lichtmikroskop nicht bei Bakterien hätte erkennen können. Es waren keine Bakterien, sondern tierische Einzeller, auch Protozoen genannt. Laveran musste gegen viele Widerstände kämpfen. Einige Wissenschaftler bezweifelten, dass es sich bei Laverans Entdeckungen überhaupt um Lebewesen handelte. Sie vermuteten vielmehr, dass er den Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin beobachtet hatte. Doch Laveran setzte sich mit seiner Sichtweise schließlich durch. Es hatte als Erster den Malaria-Erreger entdeckt. Dieser einzellige Eukaryot gehört zur Gattung Plasmodium. Dafür wurde Laveran im Jahr 1907 mit dem Nobelpreis geehrt. Doch damit war der Infektionsweg der Malaria noch lange nicht aufgeklärt.

Die Aufklärung des Infektionswegs
Die Plasmodien als die direkten Krankheitserreger sind ein wichtiges Stück im Malaria-Puzzle. Weitere Puzzle-Teile sind der Sumpf, die Anopheles-Mücke, Leberzellen und rote Blutkörperchen. Nach der Entdeckung der Plasmodien durch Charles Laveran vergingen weitere 30 Jahre bis diese Teile zu einem stimmigen Bild zusammengesetzt werden konnten.

Betrachten wir den Infektionsweg. Ich werde ihn vereinfacht darstellen und soweit möglich auf Fachbegriffe verzichten. Wir starten mit der Anopheles-Mücke. Diese benötigt stehende Gewässer zur Vermehrung, außerdem relativ hohe Außentemperaturen. Sumpfgebiete in den Tropen oder Subtropen bieten gute Bedingungen und sind typische Malariagebiete. Die Plasmodien sind in der Speicheldrüse der Mücke. Die Mücke sticht einen Menschen, um Blut abzuzapfen. Dabei wird Mückenspeichel in die Einstichstelle übertragen, zum einen um die Blutgerinnung zu hemmen, zum anderen, um die Stelle zu betäuben. Und mit dem Speichel gelangen die Plasmodien in die Blutbahn. Sie werden im Körper verteilt und dringen in Leberzellen ein: Ein Plasmodium pro Zelle. Das Plasmodium wächst heran und zerfällt schließlich in viele kleine Zwischenformen. Die Leberzelle platzt und die Zwischenformen werden ins Blut abgegeben. Dort finden sie ihr nächstes Ziel: Rote Blutkörperchen, oder Erythrozyten. Sie dringen in die roten Blutkörperchen ein und wachsen heran. Dabei ernähren sie sich vom Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff und bauen ihn dabei ab. Schließlich teilt sich das Plasmodium wieder in viele Zwischenformen, also einzelne Zellen, auf. Das rote Blutkörperchen platzt, die Parasiten werden freigesetzt, außerdem Abbauprodukte und Giftstoffe.

Dieser Vorgang ist verantwortlich für die typischen Fieberschübe bei einer Malaria-Erkrankung. Denn der Befall und das Platzen der roten Blutkörperchen wird synchronisiert.  Die Plasmodien werden mehr oder weniger zeitgleich aus den roten Blutkörperchen freigesetzt, dabei kommt es zu einem Fieberschub. Dann dringen sie in andere rote Blutkörperchen ein und der Zyklus beginnt von vorne. Und alles mehr oder weniger synchron. Dadurch kommt es zu Fieberschüben nach 1, 3 und 5 Tagen, oder nach 1, 4 und 7 Tagen, je nachdem welche Plasmodienart für die Infektion verantwortlich ist. Wobei nicht bei allen Malaria-Arten diese Synchronisierung auftritt. Neben Fieber kommt es zu weiteren, teils lebensgefährlichen Folgewirkungen. Typisch ist zum Beispiel eine Blutarmut, also ein Mangel an roten Blutkörperchen. Eben weil die Blutkörperchen während der Vermehrung der Plasmodien zerstört werden.

Die meisten Plasmodien sind mit diesem Zyklus beschäftigt: Rote Blutkörperchen befallen, Vermehrung, Freisetzung, und von vorne, rote Blutkörperchen befallen und so weiter. Einige Plasmodien entwickeln sich dagegen zu Keimzellen, im weitesten Sinne vergleichbar mit Spermium und Eizelle beim Menschen. Und diese Keimzellen treiben durchs Blut, bis eine Anopheles-Mücke in das Blutgefäß sticht. Dabei werden die Keimzellen zusammen mit der Blutmahlzeit in den Magen der Mücke befördert. Im Mückenmagen vereinen sich zwei unterschiedliche Keimzellen zu einer Zygote, diese teilt sich und es entstehen viele neue Plasmodien. Sie wandern vom Magen in die Speicheldrüsen der Mücke – und der Kreislauf beginnt von vorne. Zusammengefasst: Anopheles-Mücke sticht Mensch und überträgt die Plasmodien ins Blut. Dort vermehren sich die Parasiten zunächst in Leberzellen, anschließend in roten Blutkörperchen. Dabei werden die Blutkörperchen zerstört, was zu den typischen Fieberschüben führt. Einige Plasmodien entwickeln sich zu Keimzellen und werden von eine Anopheles-Mücke über das Blut aufgenommen. In der Mücke kommt es zur Paarung und zur Bildung neuer Parasiten. Kreislauf geschlossen.

Von Zwischenwirten und Endwirten
Die Plasmodien benötigen also zwei unterschiedliche Organismen, die Mücke und den Menschen. Das ist typisch für den Lebenszyklus vieler Parasiten. Die von Parasiten besiedelten Lebewesen werden als Wirt bezeichnet, wobei man Endwirt und Zwischenwirt unterscheidet. Die Anopheles-Mücke ist der Endwirt. Hier paart sich der Parasit mit Artgenossen und erzeugt Nachkommen. Der Mensch dagegen ist der Zwischenwirt. Warum bleibt der Parasit nicht einfach in seinem Endwirt? Das hat mehrere Gründe:

Erstens – irgendwann wird es zu eng. Der Lebensraum im Endwirt ist beschränkt und ab einem gewissen Punkt ist eine weitere Vermehrung nicht möglich. Zudem der Endwirt ja nicht getötet werden soll, denn damit würden auch die Parasiten sterben.

Zweitens – Die Auswahl an Sexualpartnern ist beschränkt. Das führt zu einer Verarmung der genetischen Vielfalt und mittelfristig zu Nachkommen, die weniger überlebensfähig sind.

Und schließlich: Der aktuelle Endwirt wird früher oder später sterben, deshalb ist es sinnvoll, wenn Nachkommen auf die Reise zu anderen Endwirten geschickt werden. Es geht also darum, in einen neuen Endwirt zu gelangen und hier sind die Zwischenwirte Mittel zum Zweck. Sie dienen als eine Art Transportmittel, um eine effiziente Übertragung zu gewährleisten. Ein einsames Plasmodium auf einem Blatt könnte wohl nie in eine Mücke kommen. Aber über den Menschen als Zwischenwirt gelingt die Übertragung von Plasmodien in Mücken deutlich besser.

Die Malaria ist ein Beispiel für eine Zoonose, also eine Erkrankung, die ursprünglich aus dem Tierreich auf den Menschen übersprang. Weitere Beispiele für Zoonosen sind Covid-19, Ebola und HIV. Aktuelle Forschungen zeigen übrigens, dass der ursprüngliche Zwischenwirt von Plasmodium falciparum, dem häufigsten Malaria-Erreger, der Gorilla war. Und durch eine genetische Veränderung vor ca. 50.000 Jahren bekam der Parasit die Fähigkeit, auch menschliche Erythrozyten anzugreifen. Damit konnte er sich sowohl in Gorillas als auch in Menschen vermehren. Eine spätere Mutation sorgte dafür, dass er den Gorilla nicht mehr als Zwischenwirt nutzen konnte. Seitdem ist Plasmodium falciparum auf den Menschen beschränkt.

Zur Podcastfolge (mit Quellenangaben)