Wachmacher – Warum Pflanzen Koffein herstellen

Warum Pflanzen Koffein herstellen? Damit ich morgens mit einer Tasse Kaffee wach werde und abends noch am Schreibtisch arbeiten kann. Das wäre meine persönliche Antwort auf die Frage. Biologisch gesehen taugt diese Antwort natürlich nicht. Mindestens 30 verschiedene Pflanzen stellen Koffein her. Und sicherlich nicht, um dem Menschen ein Genussmittel zu schenken. Aber welche Funktion hat Koffein dann für die Pflanzen? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns im BiOfunk. Aber zunächst betrachten wir, warum Koffein für den Menschen ein Wachmacher ist.

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Koffein imitiert einen Botenstoff

Koffein ist ein Wachmacher und verscheucht die Müdigkeit. Es ist ein Gegenspieler des Botenstoffs Adenosin. Adenosin entsteht im Gehirn, wenn die Nervenzellen aktiv sind. Je höher die Aktivität der Nervenzellen, desto mehr Adenosin wird gebildet. Ein hoher Adenosinspiegel ist deshalb ein Signal, dass das Gehirn Erholung braucht. Adenosinmoleküle binden dann an bestimmte Rezeptoren auf den Nervenzellen und fahren deren Aktivität herunter. Die Folge ist Müdigkeit. Man legt sich hin, schläft ein und die Nervenzellen und damit das Gehirn können sich erholen. In diese Signalkette greift Koffein ein. Koffein ist ein relativ einfach aufgebautes Molekül, bestehend aus einem Doppelring mit Kohlenstoff- und Stickstoffatomen. An dieser Ringstruktur hängen noch Sauerstoffatome und Methylgruppen. Koffein ist ähnlich aufgebaut wie Adenosin, darin liegt seine Wirkung. Betrachten wir den Weg des Koffeins im Körper. Über den Mund und den Magen kommt es in den Dünndarm. Dort wird es in die Blutbahn aufgenommen und gelangt ins Gehirn. Und da es große Ähnlichkeit mit Adenosin hat, kann es an die gleichen Rezeptoren auf den Nervenzellen binden. Aber im Gegensatz zu Adenosin führt die Bindung von Koffein nicht zu einem Herunterfahren der Nervenzellen. Koffein blockiert einfach die Rezeptoren. Deshalb kann weniger Adenosin an die Rezeptoren binden, da viele bereits besetzt sind. Die Folge: Die meisten Nervenzellen fahren nicht herunter, sondern bleiben aktiv. Man bleibt wach und leistungsfähig. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte kompetitive Hemmung. Koffein und Adenosin konkurrieren um die Bindung an die Adenosin-Rezeptoren. Je mehr Koffein vorhanden ist, desto mehr Rezeptoren sind blockiert und desto weniger kann Adenosin seine Wirkung entfalten. Bis die Koffeinmenge wieder sinkt und die Adenosinmoleküle in der Überzahl sind. Und dann wird man doch noch müde.

Koffein schützt Pflanzen

Über 30 Pflanzen stellen Koffein her. Der bekannteste Produzent ist wohl die Kaffee-Pflanze. Auch die Kakao-Pflanze bildet Koffein, ebenso die Tee-Pflanze. Denn das das Thein im Tee ist nichts anderes als Koffein: Chemisch absolut identisch mit dem Koffein im Kaffee. Pflanzen stellen Koffein sicherlich nicht zur Beglückung des Menschen her. Aber wo liegt dann der biologische Sinn? Koffein dient vor allem dem Schutz der Pflanze. Denn Koffein ist für viele andere Lebewesen ein Gift. Die Pflanzen reichern Koffein unter anderem in Blättern und Samen an.  Und dort wirkt es als natürlicher Insektenschutz.  Knabbert ein Schädling an einem Blatt nimmt er das Koffein auf. Und vergiftet sich damit. Die Folgen können Lähmungen oder sogar der Tod des Schädlings sein. Die Pflanzen produzieren also ein natürliches Insektizid. Doch nicht nur Tiere können geschädigt werden, auch für andere Pflanzen ist es schädlich. Abgeworfene Blätter fallen auf den Boden und verrotten dort. Dadurch gelangt Koffein in den Boden und reichert sich an. Und dies hemmt das Wachstum anderer Pflanzen in der Umgebung. Die Koffein-produzierende Pflanze hält so konkurrierende Pflanzen auf Abstand. Dadurch bekommt sie mehr Sonnenlicht und muss die Bodennährstoffe nicht mit anderen Pflanzen teilen. Diese Taktik kann allerdings auch umschlagen. Ab einer bestimmte Koffeinkonzentration werden auch die Produzenten geschädigt und können nicht mehr wachsen.

Bisher haben wir die Giftwirkung von Koffein betrachtet. Die Giftigkeit eines Stoffes ist bekanntlich eine Frage der Dosis. Im Blütennektar der Kaffeepflanze wurde auch Koffein gefunden, aber in deutlich geringerer Konzentration als in Blättern oder Samen. Und hier wirkt Koffein nicht als Gift, sondern eher als Suchtmittel. Wissenschaftler untersuchten den Einfluss von Koffein im Nektar auf Bienen. Sie konnten zeigen, dass sich Bienen den Geruch einer Blüte besser merken können, wenn sich geringe Mengen von Koffein im Nektar befinden. Als Folge fliegen Bienen diese Blüten häufiger an, was zu einer effizienteren Bestäubung führt. Koffein wirkt hier wie eine Art Suchtmittel, mit dem die Bienen in den Dienst der Kaffeepflanze gestellt werden.

Die Koffeinherstellung wurde mehrfach erfunden

Ein Stoff mit vielfältigen Aufgaben: Koffein wehrt Schädlinge ab, verhindert das Wachstum konkurrierender Pflanzen und verbessert die Bestäubung der Blüten. Kein Wunder also, dass viele Pflanzen dieses vielseitige Molekül im Repertoire haben. Mindestens 30 Pflanzenarten sind in der Lage, Koffein herzustellen. Und sie stellen alle das exakt selbe Molekül her. Was weiß man über die Evolution der Koffeinherstellung? Die Tatsache, dass die 30 Pflanzenarten chemisch gesehen identisches Koffein herstellen, spricht eigentlich dafür, dass all diese Pflanzen von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. Dieser Vorfahre bekam die Fähigkeit zur Koffeinherstellung und gab die Gene dann an seine Nachfahren weiter. Das ist ein Grundprinzip der Evolution. Ein Merkmal aller Säugetiere ist zum Beispiel das Fell. Alle Säugetiere haben oder hatten ein Fell. Und zwar deshalb, weil alle Säugetiere von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, der die Fähigkeit, ein Fell auszubilden vererbt hat. Bei der Koffeinherstellung ist es allerdings nicht so einfach. Die Koffein-herstellenden Pflanzen sind z.T. praktisch überhaupt nicht oder nur sehr entfernt miteinander verwandt. Forschungen der letzten Jahre widersprechen der Idee von einem gemeinsamen Vorfahren aller Koffein-Hersteller. Man geht heute davon aus, dass die Fähigkeit, Koffein herzustellen. Mindestens 5-mal unabhängig voneinander von Pflanzen entwickelt wurde. Deshalb gibt es z.T. auch keine engere Verwandtschaft zwischen diesen Pflanzen. Weil jede Pflanzengruppe für sich die Koffeinherstellung erfunden hat. Offenbar weil Koffein diesen aufgrund seiner vielfältigen Eigenschaften einen Überlebensvorteil bot. Fachleute sprechen hier von einer konvergenten Evolution. Lebewesen haben eine ähnliche Eigenschaft, aber nicht, weil sie sie von einem gemeinsamen Vorfahren bekommen haben. Sondern weil die jeweiligen Umweltbedingungen die Entwicklung dieser Eigenschaft gefördert hat. Weil diese Eigenschaft höhere Überlebenschancen bot. Dafür gibt es unzählige Beispiele. Etwa die Flügel von Fledermäusen und Vögeln. Diese Tiergruppen haben die Flügel und die Fähigkeit zu fliegen unabhängig voneinander entwickelt. Weil Ihnen diese Fähigkeit einen Überlebensvorteil bot. Es gibt keinen gemeinsamen Vorfahren von Fledermäusen und Vögeln, von dem beide Tiergruppen die Fähigkeit Flügel auszubilden vererbt bekommen hätten.

Durch konvergente Evolution haben verschiedene Pflanzen unabhängig voneinander die Fähigkeit erworben, Koffein herzustellen. Als Schutz vor Schädlingen und konkurrierenden Pflanzen und um fleißige Bienen anzuziehen. Und es ist wohl ein Glücksfall für viele Menschen, dass Koffein zufällig auch ein hervorragender Wachmacher ist.



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