BiOfunk (59): Geosmin – Über den Duft der Erde

Es ist ein besonderer Duft. Der erdige Geruch des Bodens nach einem Regenschauer. Dieser typische Erdgeruch wird durch ein kleines Molekül namens Geosmin verursacht. Geosmin wird von Bodenbakterien gebildet, vor allem von Streptomyceten. Es gibt wohl keine anderen Bakterien, die so wertvoll für den Menschen sind. Denn Streptomyceten liefern fast 70% aller Antibiotika. Der erdig-muffige Geosmin-Geruch hat vielfältige ökologische Aufgaben. Es ist ein Geruch des Lebens – und des Todes …

Streptomyceten sind Bakterien, doch auf den ersten Blick könnte man sie auch für Schimmelpilze halten (Abb. 1). Wie Schimmelpilze wachsen sie in einem Geflecht aus verzweigten Zellschläuchen. Mit diesem Geflecht durchdringen sie den Boden. Auf der Oberfläche der Kolonien bilden die Streptomycten Sporen (Abb. 2), mit denen sie sich in ihrer Umwelt ausbreiten. Ganz ähnlich wie Schimmelpilze. Streptomyceten stellen nicht nur Antibiotika her, sondern auch das Parfüm der Erde: Geosmin. Auch andere Bodenmikroorganismen bilden Geosmin (Abb. 3). Darunter Schimmelpilze der Gattung Penicillium, außerdem Cyanobakterien und Myxobakterien.
Viele Menschen empfinden diesen Erdgeruch als angenehm doch für manche Lebewesen ist er der reinste Horror. Für die Fruchtfliege ist es der Geruch des Todes. Fruchtfliegen meiden Orte mit Geosmingeruch. Dabei ist Geosmin für die Fliege völlig ungiftig. Warum also flieht die Fruchtfliege vor diesem Geruch?

Abb. 1: Streptomyceten-Kolonien auf einer Agarplatte

Abb. 2: Sporenketten von Streptomyces griseus

Geosmin Structural Formulae

Abb. 3: Strukturformel von Geosmin

Streptomyceten produzieren nicht nur Antibiotika und Geosmin. Sie sind Fabriken für biologische Kampfmittel. Produziert wird alles, was andere Lebewesen tötet. Damit schafft man sich Konkurrenten vom Hals. Konkurrenten um Lebensraum, Konkurrenten um Nahrungsquellen. Streptomyceten stellen Giftstoffe gegen andere Bakterien her, außerdem gegen Pilze und auch gegen Insekten. Kurz gefasst: Antibiotika, Fungizide und Insektizide. Insektizide sind eine direkte Bedrohung für die Fruchtfliege (Abb. 4) und ihre Eier. Die Fruchtfliege ernährt sich von Hefepilzen, die auf verfaulenden Früchten wachsen. Und dort wo Früchte verfaulen, auf der Wiese, auf dem Waldboden, ist der Lebensraum der Streptomyceten.
Das Duftmolekül an sich ist zwar ungiftig, doch dort wo es herumwabert, wachsen gefährliche Mikroorganismen. Deshalb aktiviert Geosmin bei der Fliege ein Notfallprogramm. Nichts wie weg hier, egal welch leckere Sachen dort zu finden sind. Dieses Verhaltensmuster sichert das Überleben der Fliege und ihrer Nachkommen.

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Abb. 4: Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster

Abb. 5: Springschwanz (Folsomia candida)

Geosmin muss den Streptomyceten einen Vorteil bringen, sonst würden sie es nicht herstellen. Schließlich müssen sie für die Herstellung Energie aufwenden. Energie die man auch für andere Prozesse verwenden könnte. Ein englisch-schwedisches Forscherteam ging dieser Frage nach. Ihre Hypothese: Geosmin lockt bestimmte Tiere an. Sie testeten diese Hypothese, indem Sie Klebefallen mit dem Duftstoff im Boden ausbrachten. Und tatsächlich: Die Fallen lockten eine bestimmte Tierart besonders stark an: Springschänze (Abb. 5). Diese kleinen Bodenbewohner werden nur wenige Millimeter lang. Ihren Namen verdanken sie dem auffälligen Fluchtverhalten. Bei Gefahr katapultieren Sie sich mit einem Salto in die Luft und fliehen so vor der Bedrohung. Sie ernähren sich von Streptomyceten und anderen Bodenbakterien. Die Giftstoffe der Streptomyceten machen den Springschwänze nichts aus. Im Laufe der Evolution haben sie Schutzenzyme entwickelt, die die Giftstoffe unschädlich machen. Doch welchen Vorteil sollten Streptomyceten haben, ihre eigenen Fressfeinde anzulocken. Die Wissenschaftler konnten zeigen, das die Springschwänze bei der Verbreitung der Streptomyceten helfen.


Weitere Informationen

Max-Planck-Gesellschaft: Direktschaltung im Fruchtfliegenhirn

wissenschaft-akutell.de: Bodenbakterien schützen Ameisennest vor Pilzinfektionen

Smithsonian Magazine: How Rain Evolved Its Distinct Scent—and Why Animals and Humans Love It

Nature Microbiology: Developmentally regulated volatiles geosmin and 2-methylisoborneol attract a soil arthropod to Streptomyces bacteria promoting spore dispersal

Cell: A Conserved Dedicated Olfactory Circuit for Detecting Harmful Microbes in Drosophila


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