BiOfunk (54): X oder Y – Was den Mann zum Mann macht

Männer und Frauen werden über ihre Chromosomen definiert. XY bedeutet männlich, XX dagegen weiblich. Doch manchmal stimmt diese Regel nicht. Es gibt zum Beispiel auch Männer mit der Kombination XX. Wissenschaftler wollten herausfinden, wie das möglich ist. Und sie beantworteten nicht nur diese Frage, sondern auch eine der großen Fragen der Biologie: Was macht den Mann zum Mann?

Bis zu sechsten Schwangerschaftswoche kann man einen männlichen nicht von einem weiblichen Embryo unterscheiden. Egal, wie genau man hinsieht. Anatomisch sind die Embryonen identisch. Ab der 7 Woche gabelt sich der Weg. Ein bestimmter Bereich im jungen Embryo entwickelt sich entweder zu Eierstöcken oder zu Hoden. Bald werden Sexualhormone hergestellt. Testosteron von den Hoden, Östrogen von den Eierstöcken. Außerdem weitere Hormone. Diese Sexualhormone fördern die weitere Entwicklung hin zum Jungen oder Mädchen.

Abb. 1: Ein Spermium trifft auf die Eizelle

Frauen haben die Kombination XX. Und auch manche Männer. XX-Männer sind körperlich gesehen Männer mit typischen männlichen Merkmalen. Eigentlich dürfte es XX-Männer gar nicht geben. Denn man braucht ja ein Y-Chromosom, damit sich der Embryo zum Mann entwickelt. Ohne Y-Chromosom wird der Embryo weiblich. In den 1990er Jahren wurden das Rätsel der XX-Männer gelöst. Untersuchungen zeigten, dass XX-Männer auch Y in sich tragen, wenn auch nur ein kleines Stückchen.  Auf einem der beiden X-Chromosomen befindet sich ein kleiner Bereich eines Y-Chromosoms. Und zwar auf dem X-Chromosom, dass der XX-Mann von seinem Vater bekommen hat. Im Vater kam es bei der Bildung der Spermien zu einer Mutation. Durch diese Mutation gelangte der Y-Bereich vom Y-Chromosom auf das X-Chromosom. Das war eine Art Geschenk für die Wissenschaftler, die verstehen wollten, welcher Teil des Y-Chromosoms für das Männlich-Werden verantwortlich ist. Denn genau dieser Teil befand nun sich auf dem einem X-Chromosom des XX-Mannes. Gerade einmal 35.000 Basenpaare lang. Das klingt nach einem großen Stück. Doch 35.000 Basenpaare sind weniger als 1/1000 des gesamten Y-Chromosoms. Die Wissenschaftler untersuchten diesen kleinen Y-Bereich und stießen schließlich auf ein einziges Gen. Dieses Gen heißt SRY, eine Abkürzung für sex-determining region Y, also geschlechtsbestimmende Region. Ein einziges Gen, das fälschlicherweise auf einem X-Chromosom liegt, sorgt dafür, dass sich ein XX-Embryo zum Mann entwickelt! Und dieses Gen macht gerade einmal 1/1000 des gesamten Y-Chromosoms aus. Der große Rest des Y-Chromosoms wird gar nicht zum Mannsein benötigt. Selten ist in der Biologie ein so komplexes Thema so einfach. Und natürlich wird es gleich wieder kompliziert. Denn das vom SRY-Gen codierte Protein kann ja unmöglich für sich allein alle Entwicklungsschritte hin zum männlichen Embryo auslösen. Daran müssen viele weitere Proteine beteiligt sein. Welche Rolle hat also das von SRY codierteProtein. Warum braucht man nur dieses Y-Gen für die männliche Entwicklung?


Weitere Informationen

Biomedical: History of The Research on Sex Determination

Scientific American: Sex Redefined – The Idea of 2 Sexes Is Overly Simplistic

Buchtipp: „T wie Testosteron“ von Carole K. Hooven


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