BiOfunk (53): Männlich und Weiblich – Darum gibt es zwei Geschlechter

Die sexuelle Fortpflanzung ist ein Erfolgsmodell. Fast alle mehrzelligen Lebewesen vermehren sich so. Auch der Mensch: Eine Frau und ein Mann zeugen ein gemeinsames Kind. Oder biologisch gesprochen: Eine männliche und eine weibliche Keimzelle kommen zusammen und bilden eine Zygote. Daraus entwickelt sich ein Embryo und schließlich ein neues Lebewesen. Die Einteilung in männlich und weiblich ist beim Menschen einfach. Doch die menschlichen Kriterien sind kaum auf andere Lebewesen übertragbar. Auch Pflanzen vermehren sich sexuell, doch wer ist hier der weibliche bzw. männliche Partner? Im BiOfunk betrachten wir das Grundprinzip der sexuellen Fortpflanzung. Was bedeutet männlich, was weiblich? Und warum unterscheiden sich Eizellen und Spermien so stark?

Die Kriterien, nach denen Menschen in männlich oder weiblich eingeteilt werden, lassen sich nicht auf andere Tiere übertragen. Und schon gar nicht auf Pflanzen. Biologen verwenden deswegen eine andere Einteilung. Dabei betrachtet man die Keimzellen, in der Regel Spermien und Eizellen. Lebewesen einer Art, die wenige große und unbewegliche Keimzellen herstellen, sind weiblich. Männliche Lebewesen produzieren dagegen viele sehr kleine und bewegliche Keimzellen. Kurzgefasst: Männchen produzieren Spermien, Weibchen Eizellen. Und das gilt für alle Lebewesen, die sich sexuell fortpflanzen. Egal ob Tiere, Pflanzen oder Pilze.

Doch warum sind die beiden Keimzellen so unterschiedlich. Warum ist die Eizelle tausendfach größer als das Spermium (Abb.1 )? Warum sind die Spermien beweglich, die Eizellen dagegen nicht? Für das Grundprinzip der sexuellen Fortpflanzung sind diese massiven Unterschiede eigentlich nicht notwendig. Männliche und weibliche Keimzellen könnten ja auch identisch aufgebaut sein und dennoch ihren Zweck erfüllen. Der Zweck ist das Erbgut von zwei Lebewesen zu kombinieren und Nachwuchs zu erzeugen.

Abb. 1: Ein Spermium trifft auf die Eizelle

Begonnen hat es mit normalgroßen Keimzellen. Durch die sexuelle Fortpflanzung wird Vielfalt erzeugt. So entstanden Nachkommen, deren Keimzellen ein wenig größer waren, andere waren normal groß, andere waren kleiner. Größere Keimzellen haben Vorteile. Lebewesen, die größere Keimzellen produzieren, haben mehr Nachkommen. Diese Lebewesen setzten sich durch und so wurden Keimzellen von Generation zu Generation größer. Individuen mit normalgroßen Keimzellen waren weniger erfolgreich. Doch einige Individuen stellten deutlich kleinere Keimzellen her. Die Herstellung kleinerer Zellen ist weniger energieaufwendig. Deshalb konnten deutlich mehr Keimzellen produziert werden. Sehr viele kleine und flinke Flitzer. Die kleinen Keimzellen sind zu klein, um die Entwicklung eines Embryos zu ermöglichen. Doch das müssen sie auch nicht. Sie müssen nur auf eine der großen, aber trägen Keimzellen treffen und sich mit ihr vereinen. Die große Keimzelle bringt alles für eine erfolgreiche Embryoentwicklung mit. Und da sehr viele kleine Keimzellen losgeschickt werden, wird schon irgendeine dieser Zellen auf eine große Keimzelle treffen. Um zusammen mit dieser großen Zelle ein neues Lebewesen zu erzeugen. Die normalgroßen Zellen waren die Verlierer. Zu klein, um die Entwicklung eines Embryos zu ermöglichen, aber zu groß und zu träge, um andere Keimzellen zu treffen. Es kam zu einer Entwicklung hin zu den Extremen. Zu immer kleineren und beweglicheren Keimzellen, die in großer Menge produziert werden können. Und zu immer größeren Keimzellen, die optimale Voraussetzungen für die Entwicklung des Embryos bieten. So entstanden die kleinen flinken Spermien und die großen unbeweglichen Eizellen. Bei allen Lebewesen, die sich sexuell fortpflanzen. Bei Tieren, Pflanzen und Pilzen.


Weitere Informationen

Aeon: Sex is real

Paradox Institute: Origins of Two Sexes

Quanta Magazine: The Incredible Shrinking Sex Chromosome

molecular human reproduction: Gamete competition, gamete limitation, and the evolution of the two sexes

Nature: Oxygen, life forms, and the evolution of sexes in multicellular eukaryotes


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